Nachfolgeplanung

Nachfolge ohne Plan? Wie man den Unternehmenswert nicht in den Sand setzt

March 26, 2025

Bis 2026 stehen in Deutschland 190.000 übergabereife Familienunternehmen vor dem Generationenwechsel und suchen neue Führungskräfte. Oftmals passieren dabei fatale Fehler. Zwei Expertinnen warnen: Wer die Nachfolge zu spät plant, verliert nicht nur Zeit, sondern auch massiv an Unternehmenswert.

Ein Beitrag von Marie Kanellopulos & Maxine Adams

Eine Unternehmensnachfolge ohne professionelle Begleitung durchzuführen, gleicht einer Scheidung ohne Anwalt – riskant und meist deutlich teurer als gedacht. Dennoch scheuen viele Mittelständler die frühzeitige Planung. "Wer erst in letzter Minute handelt, muss oft massive Abschläge beim Verkaufspreis hinnehmen oder findet gar keine geeigneten Kandidaten mehr", warnt Maxine Adams, selbst erfolgreiche Nachfolgeberaterin und heute Geschäftsführerin von Adams Consulting. Marie Kanellopulos, Managing Partnerin bei DONE!Berlin, ergänzt: "Ohne strukturierte Vorbereitung scheitern 70 Prozent aller familieninternen Übergaben."

Im Interview erläutern die Expertinnen, wie Unternehmen ihren Wert vor der Übergabe systematisch steigern können, wann der ideale Zeitpunkt für den Start der Nachfolgeplanung ist und warum die Entscheidung zwischen interner Förderung und externem Verkauf strategisch getroffen werden muss.

Frau Adams, Sie begleiten Unternehmen seit vielen Jahren bei der Nachfolgeplanung und sind selbst Nachfolgerin eines Familienunternehmens. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Fehler, die Unternehmen bei der Nachfolgeplanung machen?

Maxine Adams: "Ein häufiger Fehler ist der späte Start. Viele Unternehmen denken erst an Nachfolge, wenn sie konkret wird, aber eine gute Planung sollte bereits Jahre im Voraus beginnen. Wer sich diese Zeit nimmt, kann gezielt an den Stellschrauben des Unternehmenswerts drehen und dabei die strategische Ausrichtung, aber auch die persönliche Übergabe zukunftssicher gestalten. Ein unstrukturierter Verkaufsprozess, gegebenenfalls sogar auf eigene Faust, führt hingegen oftmals dazu, dass gewisse Fallstricke übersehen und das Potenzial für den Verkauf nicht voll ausgeschöpft werden.

Frau Kanellopulos, Ihr DONE!Berlin-Team und Sie beraten den Mittelstand seit Jahren, wobei sie selbst auch aus einer Unternehmerfamilie kommen. Wie steht es um die Nachfolgeplanung in den Unternehmen?

Marie: "Leider stellen wir fest, dass nur wenige Firmen die Nachfolgeplanung aktiv angehen. Die meisten reagieren erst, wenn eine Stelle tatsächlich vakant wird. Das ist fatal – besonders weil Top-Positionen heute nicht mehr einfach und schnell zu besetzen sind. Ganz zu sprechen von der zukünftigen Entwicklung des Arbeitsmarkts. Sollten Schlüsselpositionen länger unbesetzt bleiben, könnten wichtige Bereiche im Unternehmen ihre Handlungsfähigkeit verlieren. Das wirkt sich auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. Denn die Kompetenzen des Managements und der Teams sind wertvolle Assets, die für stetiges Wachstum sorgen."

Wie lange sollte man für einen erfolgreichen Nachfolgeprozess idealerweise einplanen, Frau Adams?

Maxine Adams: "Unsere Erfahrung zeigt, dass man mindestens drei Jahre einplanen sollte. Bisher war es so, dass Verkaufende meist 60-65+ Jahre alt sind und ihr Lebenswerk verkaufen wollen, um dann wenige Monate später vollständig auszusteigen. Momentan zeigt sich ein spannendes Phänomen: Die Verkaufenden werden jünger. Das bedeutet, die Sensibilität steigt, sich frühzeitig mit dem Verkauf auseinanderzusetzen. Allerdings erleben wir auch immer wieder Verkaufende, die den 80 Jahren sehr nahe sind und der Verkauf zum Kraftakt wird."

Spielt die digitale Transformation bei der Unternehmensbewertung und -übergabe eine Rolle?

Maxine Adams: "Die Digitalisierung ist heute in vielen Branchen ein entscheidender Werttreiber. Käufer schauen sehr genau darauf, wie modern die IT-Infrastruktur ist und ob digitale Geschäftsmodelle existieren. Ein Unternehmen ohne klare Digitalstrategie wird heute deutlich schwerer verkäuflich sein. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung schon im Vorfeld Chancen für die Prozessoptimierung und neue Geschäftsfelder, die den Unternehmenswert steigern können."

Frau Kanellopulos, wie erkennen Unternehmen die richtigen Nachfolgekandidaten?

Marie Kanellopulos: "Hier helfen Daten und People Analytics enorm weiter. Mit einer zentralen Datenbank, die Informationen zu Fähigkeiten, Zufriedenheit und Entwicklungspotenzialen bündelt, können Führungskräfte Talente gezielt fördern. Wichtig ist jedoch, dass man nicht nur auf fachliche Kompetenzen schaut. Gerade Soft Skills wie Empathie, Teamfähigkeit und Flexibilität sind für zukünftige Führungskräfte entscheidend. Charakter lässt sich nur schwer antrainieren, daher müssen Unternehmen vor allem in Persönlichkeitsentwicklung und Soft Skills investieren, wenn sie interne Nachfolge fördern wollen."

Wie bereitet man das mittlere Management optimal auf den Führungswechsel vor?

Marie Kanellopulos: "Der Schlüssel liegt in einem strukturierten Change-Management-Prozess. Das mittlere Management muss frühzeitig in strategische Entscheidungen eingebunden werden, ohne den Nachfolgeprozess zu gefährden. Wir empfehlen die Einführung von Mentoringprogrammen und die gezielte Förderung von Führungskompetenzen. Auch regelmäßige Workshops zur Unternehmensstrategie und Vision helfen, das Management auf die Veränderungen vorzubereiten."

Frau Adams, wie steht es um die Einbindung weiterer Stakeholder im Nachfolgeprozess?

Maxine Adams: "'Verhandlungen von Nachfolgeregelungen müssen und können geheim gehalten werden', das hat mir mein Vater als eine der Grundprinzipien schon früh gelehrt. Früher war ich damit etwas im Zwiespalt, weil ich die Offenheit in Teams sehr schätze und erwartet hätte, dass man bei Projekten mit so großer Tragweite früh die Betroffenen abholen sollte. Aber genau die Tragweite ist der Kern der Gefahren, die damit einhergehen."

Welche Risiken entstehen durch zu frühe Kommunikation in Ihren Augen?

Maxine Adams: "Nervosität und Mitarbeiterverlust! Menschen haben Angst vor der Ungewissheit, sie kennen den potenziellen Erwerber noch nicht, weil es ihn noch nicht gibt, und im Kopf braut sich oft Düsteres zusammen. Und dann? Der Mitarbeiter sucht das Weite, öffnet Augen und Ohren für neue Jobs. Zudem kommt es vor, dass führende Mitarbeiter, die nach der Transaktion eine tragende Rolle spielen sollen, sich ihrer 'Key'-Mitarbeiter-Funktion bewusst sind und im Zuge der Transaktion Forderungen stellen."

Frau Kanellopulos, welche Kennzahlen oder Indikatoren sollten Unternehmen heranziehen, um den Erfolg ihrer Nachfolgeplanung zu messen?

Marie Kanellopulos: "Ein guter Ansatz ist, die Bindung der Schlüsselkräfte an das Unternehmen zu beobachten. Abwanderung wichtiger Führungskräfte nach dem Generationenwechsel ist ein Warnsignal. Weitere Kennzahlen umfassen die Zeit bis zur Besetzung einer Position, die Zufriedenheit im Team und die Kontinuität im Wachstum. Langfristig erfolgreich ist die Nachfolgeplanung dann, wenn das Unternehmen sowohl finanziell als auch personell stabil bleibt."

Und welche typischen Krisenszenarien gilt es während der Nachfolge zu vermeiden?

Marie Kanellopulos: "Die häufigsten Krisen entstehen durch mangelnde Vorbereitung und fehlende Kommunikation. Wir sehen oft Szenarien, wo plötzliche Führungswechsel zu Verunsicherung bei Kunden und Lieferanten führen. Auch interne Machtkämpfe oder unklare Verantwortlichkeiten können kritisch werden. Deshalb ist ein professionelles Risikomanagement mit klaren Eskalationswegen und Notfallplänen unverzichtbar."

Blicken wir in die Zukunft: Wie wird sich die Nachfolgeplanung in den nächsten Jahren verändern?

Maxine Adams: "Wir sehen einen klaren Trend zur Professionalisierung. Die Generation der potenziellen Nachfolger hat oft internationale Erfahrung und bringt neue Perspektiven mit. Gleichzeitig steigt der Druck durch den demografischen Wandel. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass klassische Familiennachfolgen seltener werden und hybride Modelle an Bedeutung gewinnen."

Marie Kanellopulos: "Digitalisierung und New Work werden die Nachfolgeplanung grundlegend verändern. Führungskräfte müssen heute andere Kompetenzen mitbringen als früher. Data-driven Decision Making, agiles Mindset und digitale Transformation sind Schlüsselqualifikationen. Erfolgreiche Nachfolgeplanung wird künftig noch stärker auf systematische Talententwicklung und flexible Übergangsmodelle setzen."

Frau Adams, Sie befinden sich auch selbst im familiären Nachfolgeprozess – was sind aus Ihrer Sicht ein großer Vorteil der Zusammenarbeit von zwei Generationen?

Maxine Adams: Mein Vater und ich ergänzen uns durch unsere unterschiedlichen Perspektiven hervorragend. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, lernen wir täglich voneinander und schätzen die Meinung des anderen. Diese Wertschätzung ist einer unserer großen Erfolgsfaktoren aus meiner Sicht.

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